Matthias Däumer

Museum der Kommunikation

 

 

                   01. „Museum der Kommunikation“ (oben)

                   02. „Ouvertüre“                                                        03. „Scoot“

                   04. „Alle streben“                                                     05. „Comfort Lies“

                   06. „Gestern ist die Bäume“                                    07. „Counter Signature“

                   08. „Draußen, ein Horn“ (unten)

 

Museum der Kommunikation

(8 Fotos, 2012)

Matthias Däumer (Gießen / Tübingen)

Fotografie – in ihrer einfachsten Form – entzeitigt, betört den Betrachter mit der wohligen Illusion, dass Stillstand möglich sei. Doch von Heraklit1 bis Marc Adrian2 ist es nur dann ein weiter Weg, wenn man sich auf das vermeintlich feste, das Abbild von der ›Realität‹ schei­dende Postament der objektiven Betrachtung fantasiert. »Museum der Kommuni­kation« will diesen Stand//Punkt überwinden.

Einerseits geschieht dies durch Dekonstruktionen von Motiven, die eine Entzeitigung be­haupten: sei es die titelgebende Aufnahme der Straßenkreuzung vor dem Berliner Museum der Kommunikation, die Ablichtung der die Nation mit-imaginierenden3 Bundes­flagge auf dem Reichstagsgebäude (Alle streben), oder der zaudernde Blendenschluss über einer trüge­risch ruhigen Natur (Gestern ist die Bäume//Draußen, ein Horn). Anderer­seits findet sich dialektisch-anti­thetisch ein rummelplatziges Schaustellen des nur vermeintlich Latenten (Ouvertüre//Scoot) oder die ›Chock‹4-Starre des Blitzes//Blickes,5 der sich in einem Fliegen­gitter verfängt (Comfort Lies).6

Wenn diese Fotos etwas zeigen statt es bewegen zu wollen, dann eine an den Apparat abgetretene Erkenntnis:7 Die langbelichtende, willkürlich bewegte Kamera überrascht, weil sie die Zeitlichkeit der Bewegung transzendiert. So schiebt sie dem Feuerwerk einen Namens­zug unter, setzt die Gegenzeichnung (Counter Signature)8 statt unter den Augenblick unter das unbestimmte Intervall – zum Zweck einer allgemeinen Bezeugung des Fließens.*

Anmerkungen:

1     »πάντα ῥεῖ« (alles fließt).    2     »Kunst die sich nicht mit der Bewegung und dem Bewegen befasst ist überflüssig«; Marc Adrian, Erste Skizze für Mobile für Malewitsch Nr. 5 (1957).     3     Benedict Anderson, Imagined Communities (1983).   4     »Wo das Denken in einer von Spannungen gesättigten Konstellation plötzlich einhält, da erteilt es derselben einen Chock«; Walter Benjamin, Über den Begriff der Geschichte (1940).    5     Blick und Blitz fallen systematisch in Eins über das lumen oculorum, die Vorstellung vom feurigen Sehstrahl, durch die bspw. im Mittelhoch­deutschen blic den himmlischen ‚Blitz‘ wie den ‚Blick der Augen’ meint.   6     »You blind yourselves with comfort lies / Like lightning never strikes you twice / And we laugh at your amazed surprise / As the Ark begins to sink«; New Model Army, I Love the World (1989).    7     »Das Publikum fühlt sich in den Darsteller [in das Objekt] nur ein, indem es sich in den Apparat einfühlt«; Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (1936).   8     Begriff aus einem Derrida-Interview zum Wesen der Bezeugung; »The Spatial Arts«, in: Peter Brunette/David Willis (Hg.), Deconstruction and the Visual Arts (1994).    *    Hinweis: Die Pseudo-Monumentalismen der hier angefügten Verweise und Denkoptionen sind vornehmlich als Aufforderung dazu zu verstehen, die Fotos ganz von selber fließen zu lassen.

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© Matthias Däumer | 2016

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